Rassistische Statue in Berlin geköpft: Argument statt Hammer Ein Platz in der aufklärerischen Ausstellung "Unverhüllt" wäre besser gewesen. Denn manches muss weg, anderes gehört in einen neuen Kontext gestellt

Bert Rebhandl 30. Juni 2020

Ein Werk des deutschnationalen Bildhauers Arminius Hasemann wurde in Berlin beschädigt, zu sehr transportierte es rassistische Stereotype
Foto: AFP

In der Leuchtenburgstraße im bürgerlichen Berliner Bezirk Zehlendorf wurde vor zwei Wochen eine Statue enthauptet. Von einem Zusammenhang mit den gegenwärtigen Auseinandersetzungen über historisches Erbe und Rassismus ist auszugehen, denn die Muschelkalkfigur Hockende Negerin (1920) von Arminius Hasemann galt schon seit einiger Zeit als unzumutbar.

Wer immer seine Statue ramponierte, wollte wohl mit der Diskussion über den künstlerischen Wert nichts zu tun haben, sondern einfach ein Machwerk beseitigen. Ein Faun von Hasemann aus derselben Zeit soll hingegen am gleichen Ort bleiben, wobei es bei mythologischen Figuren keineswegs von vornherein ausgemacht ist, dass sie vor rassistischen Darstellungen gefeit sind. Und eine Affengruppe von Hasemann im Zoologischen Garten ist für sich besehen harmlos, im Kontext seines gesamten Werks hingegen keineswegs per se frei von Ideologie.

Der Denkmalstreit kann diese Umstände erhellen. Deswegen ist er mit guten Argumenten zu führen, allerdings nicht unbedingt mit dem Hammer. (Bert Rebhandl, 30.6.2020)

Kommentare:

Mythos und Wahrheit

In der westlichen Gesellschaft predigen wir Offenheit und Diskurs. Natürlich glauben die meisten von uns (ich auch), dass diese Statue ein Problem ist. Die Verfrachtung in ein Museum wäre wohl der zivilisierte Umgang damit gewesen.

So erinnert das ein bisschen an die Zerstörungswut der Taliban (nur ein bisschen, hier ist es ja nur eine Statue).

Sonst müsste man in letzter Konsequenz auch das Collosseum, wo systematisch Menschen umgebracht wurden oder Auschwitz dem Erdboden gleichmachen. Ich glaube gerade Letzteres macht klar, dass es in der jetzigen Form als Mahnmahl viel mehr nützt, als wenn es geschliffen worden wäre.

Etwas anderes wäre es natürlich, wenn es sich um ein aktuelles Artefakt handeln würde.

Minimaximus

Bei aller Liebe, aber einfach alles zerstören ist definitiv der falsche Weg. Allein schon, weil man dadurch wertvolles Anschauungsmaterial verliert, um über die Dinge berichte, aufklären zu können. Die Diskussion, ob Dinge unabhängig von der darin ausgedrückten Gesinnung "Kunstwert" haben können, braucht man da gar nicht mal bemühen.

Des Weiteren tragen solche Aktionen eine völlig inakzeptablen "Gesinnungstotalitarismus" in sich, der auch nicht viel anders ist, als das, was sich bei den Bücherverbrennungen zugetragen hat. Quasi eine Seite oktroyiert, was "akzeptabel" ist, alles andere wird vernichtet. Solche Maßnahmen stehen ausschließlich dem Staat im Rahmen entsprechender Gerichts- oder Verwaltungsverfahren zu.

Isegrim1

Das wird immer lächerlicher
Soll man jetzt auch die Werke Wagner verbrennen weil die Nazis das gerne als Prototyp des Deutschen hernahmen?
Muss man die Geschichte der Germanen auslöschen weil die benutzt wurde?


Quelle: stark gekürzt aus derstandard vom 30.06.2020


So sah die Skulpur ursprünglich aus - macht euch selbst ein Bild

Hockende Negerin
Foto: Susanne Kähler, 2005, CC-BY-4.0

Die Sitzfigur mit dem historischen Titel "Hockende Negerin" zeigt eine weibliche Figur mit gekrümmtem Rücken und nach vorne zwischen und auf die Knie gelegten Händen. Ihr linkes Knie ist leicht erhöht, der Kopf ist leicht nach rechts gewendet. Dargestellt ist in realistischer Art und Weise ein eine ältere, muskulöse aber gleichzeitig ausgemergelte schwarze Frau mit langen Gliedmaßen und knöchern wirkenden großen Händen.

Der Blick ist stolz erhoben, die Augen sind halb geschlossen. Die Haare der Frau sind mit einem Tuch im Nacken zusammengewickelt. Als Bekleidung dient ihr ein über den Schultern hängender Überwurf, der faltenreich den Rücken bedeckt. Auf ihrem Rücken hängt ein Wasserbeutel.

Die Anatomie der Frau ist weitgehend realistisch wiedergegeben. Die Gesichtszüge und Gesamtausdruck wirken jedoch fast karikierend überzogen. Der Künstler verzichtete nicht auf auffallend dekorative Elemente im Sinne des Art Déco, wie den in malerische Falten gelegten Überwurf und die insgesamt harmonische schönlinige Kontur.

In sehr eigenwilliger Form gab der Bildhauer Arminius Hasemann die Afrikanerin wieder, wobei auf die in der Kunst der 1920er Jahre nicht untypische, aus heutiger Sicht rassistische Tendenz hinzuweisen ist. Die Skulptur ist in ihren bildhauerischen Qualitäten als außergewöhnlich zu bezeichnen (Susanne Kähler).

Über den Schöpfer der Figur, Arminius Hasemann, war bis zum Erscheinen der Publikationen des Journalisten Detlef Lorenz 1998 und 2000 wenig bekannt (Tagesspiegel vom 4. Dezember 1998 und Jahrbuch Zehlendorf 2000, S. 73-81). Bis nach 1980 befand sich an der dem heutigen Standort der beiden hier aufgestellten Figuren gegenüberliegenden Straßenseite das Wohn- und Atelierhaus des Bildhauers und Graphikers, ein etwa um 1900 von dem Vater des Künstlers - einem Messinstrumentebauer - errichtetes Einfamilienhaus mit schlichten Architekturformen (Leuchtenburgstraße 18).

Die Figuren "Faun" und "Hockende Negerin" wurden auf Betreiben der Nachbarn Friedrich und Waltraut Jäger und Dr. Jutta Foti vor dem Abriss gerettet und mit Unterstützung des Leiters des Tiefbauamts Herrn Roscher um 1985 an dieser Stelle platziert.

Die "Affengruppe" - ebenfalls eine Muschelkalkskulptur von Hasemann - wurde dem Zoologischen Garten Berlin 1979 geschenkt. Im Jahre 2000 wurde die Beschilderung der beiden Skulpturen in Zehlendorf und eine Reinigung mit Hilfe von Spendengeldern auf Betreiben des Heimatvereins Zehlendorf vorgenommen. Nach Auskunft von Herrn Roscher befinden sich noch zahlreiche, auch großformatige Gipsmodelle Hasemanns (teilweise aufgrund rostender Eisenarmierungen in schlechtem Zustand) auf dem Werkhof des Bezirks.

In der Nacht zum 17. Juni 2020 wurde der Figur von unbekannten Tätern der Kopf abgeschlagen, die Figur wurde beschmiert. Laut Medienberichten soll sie in die Ausstellung der Zitadelle Spandau integriert werden (Jörg Kuhn, Susanne Kähler).


bildhauerei in berlin